Donnerstag, 22. Mai 2014

Unsere dunkle Seite; meine Gedanken (langer Post!)

Erstmal danke für die lieben Kommentare zu meinen letzten Beiträgen! 


Ja, wir haben diesen Teil unserer Seele in uns, eine dunkle Seite unserer Persönlichkeit, die wir gerne vor anderen Menschen verstecken. Wir sagen "mit geht es gut" wenn wir eigentlich innerlich weinen, wir lachen und scherzen und albern rum, während uns das Herz blutet, und wir legen uns nachts neben unserem Liebsten schlafen, ohne die schwarzen Gedanken, die unseren Kopf durchfluten, mit ihm zu teilen ... 
Warum verstecken wir diese Seite? Haben wir Angst, dass wir andere damit verschrecken oder abstossen? Haben wir Angst, nicht mehr geliebt zu werden, wenn wir zulassen, dass andere uns so sehen wie wir uns selbst sehen? Oder versuchen wir uns zu schützen, weil diese privatesten aller Gedanken und verletzlichsten Facetten unserer Persönlichkeit uns so nackt und wehrlos erscheinen lassen?
Ich habe auf diesem Blog vieles mit euch geteilt. Meine privaten Gedanken, meine fröhliche, optimistische Seite, meine Liebe, aber auch meine dunkle, verletzliche Seite. (siehe "Meine Essstörung")
Ich bin beides; ich bin Tag und Nacht, ich bin glücklich und depressiv, optimistisch und ängstlich, stark und zerbrechlich, strahlend und düster ... 
Ich weiss, dass die Menschen damit nicht umgehen können. Obwohl mittlerweile reihenweise 3-D-Filme in die Kinos kommen und wir unseren Körper und unsere Psyche bis in's kleinste Detail erforschen, wollen wir Menschen trotzdem nicht die Vielschichtigkeit der Realität anerkennen. Wir lieben es, Dinge und Menschen zu reduzieren und in Schubladen zu stecken, um dem Leben und der Welt um uns Struktur und Greifbarkeit zu geben. 
Wir lieben es, uns selbst mit etwas zu identifizieren, uns einer bestimmten Gruppe zu zuordnen. Sei es in der Bloggerwelt, sei es in einem Verein oder Musik- oder Modegeschmack. Wir sind Low Carb, wir sind Hipster, wir sind Little Monsters oder Beliebers ... Ich bin gar nichts. Ich gehöre zu keiner bestimmten Gruppe, in nichts, was ich tue. Nicht mal im Studium, ich bin keine typische Jura-Studentin, ich besuche auch Veranstaltungen anderer Fakultäten - ich will alles sein. Ich habe viele verschiedene Gesichter, die ich aufsetze, je nachdem wo ich bin oder wer mir gegenüber sitzt. Eigentlich sollte ich einen Oscar bekommen, für die beste Everyday Life Performance... und wisst ihr was? Keines dieser Gesichter ist perfekt! Und wird es auch nie sein! Denn jedes Gesicht bin ich, nur in einer anderen Facette, und ich werde es nie schaffen, perfekt zu sein, für mich nicht und für niemand anderen. Jedenfalls nicht in der Art, in der die Gesellschaft "perfekt" definiert. (siehe auch "Perfektion")


Bis vor zwei Tagen dachte ich, auf meinem Weg zu einem positiven, glücklichen, erfolgreichen Leben ginge es darum, meine dunkle Seite, diesen Dämon in mir, zu besiegen. Ich stellte mir meine Essstörung immer als eine skelettartige Frau mit einer scheußlichen Fratze und langen, dunklen Haaren vor, der ich wie Jeanne d'Arc mit gezücktem Schwert entgegen treten muss - um sie schlussendlich zu besiegen. 
Doch was ich nicht verstand, ist, dass diese hässliche Fratze ich bin. Sie ist ein Teil von mir, und wird es immer sein. Ich bin kein Engel, aber ich bin auch nicht vollkommen schlecht. Ich bin ein Mensch, und ich werde mir nie einen Teil meiner Persönlichkeit rausschneiden können. Ich kann zwar dagegen ankämpfen, indem ich meine gute Seite stärke, aber meine dunkle Seite wird immer in mir drin schlummern, darauf wartend mich wieder einzunehmen... und ich werde dagegen ankämpfen können, wenn es soweit ist. 
Aber ich muss den Versuch aufgeben, diese Seite endgültig loszuwerden - denn das ist ein aussichtsloser Kampf der mich hemmt und viel zu viel Zeit und Energie verbraucht. Ich fühle mich dadurch nur noch schlechter, wenn ich versage, denn ich habe ja nicht nur mein Ziel nicht erreicht, nein, ich habe einen Kampf verloren. 


Auf meinem Blog erzähle ich euch immer, dass ihr stark und positive sein sollt, und das ist auch etwas, das ich unbedingt sein will (siehe "Wer bin ich"). Doch der Kampf gegen meine dunkle Seite nimmt meistens soviel Kraft in Anspruch, dass es mir irgendwann nicht mehr gelingt, positiv zu denken und dem Tag mit einer optimistischen Haltung zu begegnen. Es gelingt mir dann nicht, stark und selbstsicher durch's Leben zu gehen ... weil ich zu sehr damit beschäftigt bin, die negativen Dinge zu unterdrücken und zu verbergen. 
Dieser Akt des Versteckens macht einsam. Ich traue mich nicht, auf neue Menschen zu zugehen, weil ich Angst habe, was sie von mir halten könnten. Ich wurde so oft verletzt und weggestossen... was, wenn ich jemanden in mein Herz lasse, und diese Person es dann einfach wegwirft? Könnte ich diesen Schmerz ertragen? Würde ich darunter zusammen brechen? Würde meine dunkle Seite dann entgültig gewinnen`?
Das gleiche gilt dafür, neue Erfahrungen zu machen. Ich habe Angst davor, weil ich Angst habe, zu versagen. Könnte ich eine weitere Niederlage ertragen? 
Ich weiss es einfach nicht. 
Und diese Ängste lähmen und isolieren mich. Sie machen mein Leben einsam und trostlos. Die dämonische Fratze in mir hegt und pflegt diese Ängste, stachelt sie an wie ein loderndes Feuer das mich von innen verbrennt und nichts zurück lässt als kalte, schwarze Asche ... es schmerzt, es tut so höllisch weh dass ich nur noch schreien will!!!
Doch niemand sieht es ... niemanden interessiert es ... meine Schutzwälle sind zu stark, meine Gesichter zu undurchsichtig, meine Masken zu ausgefeilt. Und so kümmern sich die Menschen um ihre eigenen Probleme. 
Meine Familie nimmt mich als Anker wahr, als jemand, der für sie da ist, auf den sie alles abladen können - emotionalen Abfall, Pflichten im Haushalt und wenn sie sich einsam fühlen, dann kommen sie zu mir. 
Doch wer schaut nach mir? Wer nimmt mich in den Arm?



In den letzten 2 Tagen habe ich zum ersten Mal meiner Mutter gegenüber alle Schutzwälle eingerissen. Ich habe schon oft vor ihr geweint, aus Verzweiflung, weil ich ihr einfach nicht das sagen konnte, was ich eigentlich wollte. Was ich will? Nun, ich möchte geliebt werden, so wie ich bin. Ich möchte akzeptiert werden, mit meinen Stärken und Schwächen. Ich möchte das Gefühl haben, dass ich mit ihr über alles reden kann. Ich möchte dass sie mich unterstützt und auch mal in den Arm nimmt, wenn's nicht so gut läuft. Und ich möchte nicht mehr der Abfalleimer der Familie sein ...
Ihr das zu sagen war schwer und ihre Reaktion war nicht die, die ich mir gewünscht hatte. Von mir aus hätte sie gar nichts sagen müssen, eine Umarmung hätte gereicht ... aber stattdessen sagte sie, sie hätte ja keine Ahnung gehabt, wie sehr ich am Ende sei, sie meinte es läge sicher an ihr (und gab mir so das Gefühl, eine schlechte Tochter zu sein) und gab mir 1000 Tipps, was ich an meinem Leben ändern sollte, damit es besser wird (mehr ausgehen, zu einem Psychologen gehen, mehr Leute kennen lernen). 
Ich dachte nur: Toll, danke Mami. Das weiss ich selber. 
Und dann dachte ich mir: Ok, was soll sie auch dazu sagen? Sie weiss es wahrscheinlich nicht besser. 
Ich nehme ihr ihre Reaktion nicht übel... es zeigt nur, dass ich meine Hoffnungen begraben muss, je die Liebe von ihr zu erfahren, die ich mir so sehnlichst wünsche.

Mir ist klar, dass ich den Kampf auf jedenfall weiter alleine kämpfen muss, denn die Hilfe, die ich brauche, kriege ich nicht. Ich kriege nicht die Liebe, die ich will und die Tatsache, dass mir beim tippen wieder die Tränen über die Wangen kullern, zeigt doch nur, dass ich noch viel vor mir habe. 

Ich werde den Krieg gegen mich selbst nie gewinnen, aber ich kann versuchen, jede einzelne Schlacht für mich zu entscheiden. Mich, den Teil, den ich an mir liebe. Nämlich dieses hilfsbereite, sensible Mädchen dessen Herz zu soviel Liebe fähig ist. 
Mir ist bewusst, dass meine dunkle Seite ein Teil von mir ist, die mich immer begleitet und vor der ich nicht davonlaufen kann. Ich werde sie nie endgültig besiegen und wer mich liebt und an meinem Leben Anteil haben will, muss wohl damit zurecht kommen müssen. 

Mein weiterer Werdegang hängt nicht davon ab, ob ich meine dunkle Seite besiege, sondern, ob ich mich von ihr besiegen lasse. Ich muss weiter kämpfen und Schlacht für Schlacht in Angriff nehmen, jeden Tag, und ich brauche Menschen in meinem Leben, die mich daran erinnern, wer ich bin, wer meine gute Seite ist, und keine Menschen, die mir erzählen wer ich sein müsste, damit alles besser wird. Denn egal wer ich einmal werde, mein Dämon wird immer da sein!


1 Kommentar:

  1. nach diesem post würde ich dich am liebsten nur in den arm nehmen <3

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